Shut up & Train, Die Ergebnisse einer Studie über Sexuelle Belästigung im BJJ

„Mich fragten mehrere Schwarzgurte nach einem Dreier mit sich und anderen Teammitgliedern. Ich erhielt suggestive Kommentare beim Rollen, ungewünschte Massagen während der Open Mat und einen ungewollten Kuss auf die Wange von meinem Gegner aus der Mount.“

Das ist nur eine der 30 Antworten auf die Frage „What happend?“ in einer Umfrage die genauer untersuchte inwiefern sexuelle Belästigungen und Übergriffe in der BJJ Community stattfinden und thematisiert werden.

Die Studie „Shut up & Train“ wurde im Frühjahr 2020 von einer anonymen Personen aus der BJJ Szene (valkyrieBJJ) durchgeführt und wurde über die sozialen Netzwerke verteilt. Insgesamt haben 1583 an der Umfrage teilgenommen (70% Männer 30%Frauen) und den umfangreichen Fragebogen beantwortet. Die Ergebnisse kann man im Detail oder in einer Zusammenfassung über einen Google Drive Ordner einsehen.

Der Link zu den Ergebnissen der Umfrage

Ergebnisse:

  • Männer bekommen nichts mit: 43% aller Frauen kannten persönlich jemanden, der Opfer einer sexuellen Belästigung war. Im Vergleich dazu kannten nur 17% der Männer ein Opfer, was nahelegt dass sich Frauen anderen Frauen anvertrauen und es sein kann dass die weitestgehend männliche BJJ Gemeinschaft sich nicht eines Problems in der Gemeinschaft klar ist.
  • Neue Frauen sind am anfälligsten: Häufig sind es neue Mitgliederrinnen die Opfer von sexuellen Belästigungen sind.
  • Menschen missbrauchen ihre Macht und ihren Rang: Schwarzgurte waren 21% der Verantwortlichen und Personen mit Autorität waren auch überdurchschnittlich vertreten.
  • Sexuelle Übergriffe in BJJ sind kein Zufall: BJJ ist ein chaotischer Sport dennoch sind die Übergriffe kein Zufall denn sie fanden gleichermaßen auf und abseits der Matte statt und den Beobachtern war zu 89% klar (oder weitestgehend klar) dass es sich um eine unangemessene und keine zufällige Berührung/Aktion handelt.
  • Die Angst, Drama zu verursachen, ist ein Grund fürs Schweigen: Die Angst ein Drama zu verursachen war ein häufig genannter Grund fürs Schweigen, sowie die Angst dass einem nicht geglaubt wird oder der eigenen Einschätzung das es nur eine Kleinigkeit war.
  • Es gibt umsetzbare Möglichkeiten zur Bekämpfung sexueller Belästigung und Angriff: Sowohl Trainer als auch Sportler können bei der Bekämpfung sexueller Belästigung und Körperverletzung helfen. Beobachter bei der Open Mat, das beobachten und ansprechen neuer Mitglieder und die Festlegung einer kohärenten Politik zum Umgang und der Verhinderung von sexuellen Belästigung sind einige Möglichkeiten, die helfen können.

Bei der Umfrage waren lediglich 3% Teilnehmer/innen aus Deutschland was die Frage aufwirft: „Aber bei uns ist das doch ganz anders oder?“. Auch wenn sich die amerikanische Kultur sicher von der europäischen unterscheidet so hat sie dennoch einen großen Einfluss auf die Art und Weise wie wir Personen von hoher Autorität betrachten und unser Gym führen. Damit unser Beitrag jedoch stärker zeigt, dass wir uns auch in Deutschland mit der Thematik beschäftigen sollten haben wir eine erfahrene deutsche Wettkämpferin aus dem BJJ zu ihren eigenen Erfahrungen und ihrer Meinung zu den Ergebnissen befragt.

„Hinsichtlich meiner selbst gemachten Erfahrungen, spiegelt diese Studie nur eine traurige Realität wieder, die viele Frauen in unserer Sportwelt durchleben. Erschreckende 61% der belästigenden Personen hatten laut der Studie einen höheren Rang, als ihre Opfer. Bei der Fragestellung, welche Position diese Person innerhalb des Teams inne hatte, gaben außerdem 40% an, dass es sich um eine Autoritätsperson handelt. In 90% der Fälle wurde die sexuelle Belästigung durch einen Mann durchgeführt.

Die Gründe für diese hohen Zahlen liegen meiner Meinung noch immer in der gottgleichen Verherrlichung, die ein Blackbelt in unserer Community vielerorts weiterhin genießt. Ich selbst musste mich mit Aussagen wie ,,wie redest du mit ihm? Er ist ein Blackbelt!“ auseinandersetzen, als ich meine eigene Erfahrung mit sexueller Belästigung bei Trainingskollegen thematisierte. Für das gemeinsame Aufklärungsgespräch wurde mir von Trainern sogar die gewünschte Vertrauensperson verwehrt. Als wenn ein Gurt oder eine Position ausreichen würden, um frei von Kritik sein zu können. Gepaart mit dem Wohlwollen, welches man vom Blackbelt für seine eigene Graduierung benötigt, tolerieren selbst international erfolgreiche und gefeierte IBJJF Wettkämpferinnen dieses Verhalten in ihrem Gym und halten die Füße still.

In meinem Fall deckten und tolerierten Athletinnen sogar viele grenzüberschreitende Handlungen, in der Hoffnung selbst irgendwann groß rauszukommen. Die Schuld darf dementsprechend nicht pauschal einem Geschlecht zugeschoben werden, sondern diesem ganzen System, in dem wir gemeinsam trainieren. Die ewige Sehnsucht nach dem neuen Gurt und der fehlenden Kontrollinstanz, einer unabhängigen Vereinigung, werden diese Zahlen mit ziemlicher Sicherheit nicht sinken lassen. Wenn wir von einer familienähnlichen Struktur im eigenen Team sprechen möchten, sollten wir uns wahrscheinlich mehr darüber Gedanken machen, was für eine Art von Familie wir tatsächlich sein möchten.“

Der Link zu den Ergebnissen der Umfrage

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