Anke Müller – „Am liebsten hätte ich vier Mal Gold gewonnen“ [exklusiv Interview]

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Letztes Jahr erhielt sie den Lila Gürtel im BJJ von ihrem Trainer Jörg Lothmann. Heute knapp ein Jahr später ist sie Weltranglisten erste in gleich drei Kategorien. Diese Plätze hat sich Anke Müller vom Team Marshmallow Pitbull Jiu Jitsu / Akita-Inu Do e.V. in den letzten Monaten auch hart erkämpft. Das Jahr startete bei den IBJJF Europeans mit Bronze in ihrer Gewichtsklasse und Gold in der Open Class. Am letzten Wochenende gings für Anke dann nach Rom wo sie viermal auf das Treppchen steigen durfte. Bei den Rome International Open erkämpfte sie sich Silber im Mittelgewicht und Gold in der Offenen Klasse. Bei den No-Gi Europeans dann nochmal Silber im Mittelgewicht und Gold in der Offenen Klasse.

Wir haben mit Anke über ihre letzten Erfolge gesprochen, wie sie ihr Privat/Arbeits Leben mit dem Sport in Einklag bringt und was wir in Zukunft von ihr erwarten können. Wir wünschen viel Spaß mit dem Interview.

Hallo Anke. Das letzte Wochenende war besonders erfolgreich für dich, wie hast du die Wettkämpfe wahrgenommen und wie schätzt du deine eigene Leistung ein?

Nun, wer mich kennt, weiß natürlich, dass ich am liebsten (wieder) vier Goldmedaillen mit nach Hause gebracht hätte. Leider war das Starterfeld in meiner Kategorie etwas dünn gesät, weshalb ich mich auch entschieden habe, eine Gewichtsklasse höher als sonst (also Mittelgewicht statt Leichtgewicht) anzutreten damit ich überhaupt eine Gegnerin hatte. Lieber einen schönen Kampf gemacht und ehrenhaft verloren als kampflos Erste zu werden. Eine Goldmedaille ohne dafür gekämpft zu haben (vor allem wenn ich ganz genau weiß, dass ich alleine in meiner Gewichtsklasse bin) ist in meinen Augen nichts, worauf man stolz sein kann. Nun, ich habe sowohl mit als auch ohne Gi den Finalkampf im Mittelgewicht verloren. Und das gegen eine Gegnerin, die ich hätte schlagen können und in der Vergangenheit auch schon mehrfach geschlagen habe. Auch meine Gegnerinnen lernen eben dazu. 🙂

Am Ende hat es dann für zwei Goldmedaillen in der Offenen Klasse mit und ohne Gi und zwei Mal Silber im Mittelgewicht Gi und No-Gi gereicht.

Bei meinem ersten Kampf im Mittelgewicht mit Gi (der gleichzeitig der Finalkampf war) hatte ich zunächst Schwierigkeiten in den Kampf hineinzufinden. So war einer meiner Versuche, eine Submission anzubringen, nicht eng genug und es gelang es meiner italienischen Gegnerin, meine Guard zu passieren und ihre Top-Kontrolle bis zum Ende der Kampfzeit zu behalten. 0:3 nach Punkten verloren.

In der Open Class hatte ich dann meine Revanche. Während meine Gegnerin durch einen Punktsieg über eine 2 Gewichtsklassen leichtere israelische Kämpferin relativ leicht ins Finale kommen konnte, hatte ich in doppelter Hinsicht das schwerere Los gezogen. Ich musste gegen eine starke Medium-Heavy-Kämpferin aus England ran, konnte den Kampf aber mit einem Guardpass 3:0 gewinnen. Also Finale wieder gegen die Italienerin. Diesmal konnte ich mir direkt zu Beginn die Closed Guard sichern und von dort aus attackieren. Meine Gegnerin hat sehr gut verteidigt, blieb aber ansonsten relativ passiv, sodass nach meine Mühen nach Ende der Kampfzeit bei einem Punktestand von 0:0 mit einem Kampfrichterentscheid zu meinen Gunsten belohnt wurden.

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Die No-Gi Europeans waren fast eine Wiederholung des Kampftages mit Gi. Diesmal war ich mit meiner Leistung im ersten Kampf eigentlich ganz zufrieden. Leider gelang es mir trotzdem nicht, den Punkterückstand von 0:2 wieder aufzuholen, den ich mir durch einen Fehler gleich zu Beginn des Kampfes eingefangen hatte. Ich war die ganze Kampfzeit hindurch in der Offensive, was am Ende dennoch leider nur für 4 Advantages gereicht hat. Und in dem Moment, wo ich mir endlich ihren Arm gesichert hatte und zum Hebel ansetzen wollte, war die Zeit rum. Das sind so die Momente, wo man am liebsten ganz laut *** schreien möchte. 🙂

In der Open Class auch hier wieder das gleiche Spiel wie im Gi. Meine Finalgegnerin kam im Halbfinale wieder gegen die Light-Feather-Kämpferin und konnte sie diesmal auch relativ schnell submitten. Ich durfte wieder gegen die Medium-Heavy-Kämpferin ran, konnte sie aber nach einem kräftezehrenden Halbfinal-Match mit einem Sweep 2:0 besiegen.

Im Finale gelang es mir auch diesmal, die Closed Guard zu sichern und von dort aus meine Angriffe zu starten. 30 Sekunden vor Ende der Kampfzeit stand es immer noch 0:0. Dann kam ich endlich mit einem meiner Angriffe durch und konnte eine kleine Unachtsamkeit meiner Gegnerin nutzen um sie mit einem Armhebel zu beenden. 30 Sekunden vor Schluss hatte ich endlich doch noch meine Submission! Ich war erleichtert und überglücklich und gleichzeitig total fertig. Europameisterin No-Gi in der Absolute Division!

Zusammen mit meinem Sieg bei den European Open 2013 (Mittelgewicht, Blue) und 2014 (Absolute, Purple) und bei den No-Gi Europeans 2013 (Light, Purple) ist das nun mein vierter EM-Titel in Folge.

Damit bin ich auf der Weltrangliste der IBJJF gleich in drei Kategorie auf Platz 1: Gi und No-Gi Purple Master 1 Female Open Class und No-Gi Purple Master 1 Female Lightweight.

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4 Medaillen sind definitiv ein Grund zu feiern. Wie belohnst du dich nach einem erfolgreichen Turnier?

Ich gebe zu, groß gefeiert habe ich eigentlich nicht. Nach dem Turnier gehe ich mit Freunden oder Teamkollegen etwas essen und gönne mir auch mal was, während ich sonst eher darauf bedacht bin, sehr auf meine Ernährung zu achten. Da ich vor großen Turnieren immer sehr angespannt bin, worunter besonders die Menschen in meiner näheren Umgebung ziemlich zu leiden haben, versuche dann auch ganz bewusst, meinem Privatleben etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Je nachdem wie es mir geht und wie ich mich fühle, mache ich einige Tage locker im Training oder komplett Pause um meinem Körper Zeit zur Erholung zu geben, ansonsten gilt für mich wirklich „nach dem Turnier ist vor dem Turnier“. Egal ob gewonnen oder verloren, ich bin danach meistens noch motivierter wieder zu trainieren als vorher.

 

Der Aufenthalt in Rom hat sicher einige Urlaubstage in Anspruch genommen. Wie schaffst du es dein berufliches/privates Leben in Einklang mit der sportlichen Karriere zu bringen?

Ja, das mit dem Urlaub ist in der Tat ein Problem. Fast mein gesamter Urlaub geht für BJJ drauf, entweder für Wettkämpfe oder für Lehrgänge bzw. Trainingscamps. Ich versuche dann immer, noch ein oder zwei Tage an meinen Turnierurlaub dran zu hängen, in denen ich mir ganz tourimäßig die jeweilige Stadt anschaue, bummeln gehe oder einfach mal ganz bewusst gar nichts mache.

Eine große berufliche Karriere im klassischen Sinn wird sich mit BJJ auf diesem Niveau sowieso nur schwer vereinbaren lassen. Entweder oder. Es sind ja nicht nur die Wettkämpfe, sondern auch das tägliche Training, was sich nicht so gut mit regelmäßigen Überstunden, Kundenbesuchen oder Montagetätigkeit in Einklang bringen lässt. Ich habe mich nach dem Studium ganz bewusst für eine ¾-Stelle entschieden, die mir genügend Freiraum für mein sportliches Engagement lässt.

Und was mein Privatleben angeht, da versuche ich wirklich ganz bewusst drauf zu achten, dass das durch den Sport nicht zu kurz kommt und dass ich trotz BJJ die Menschen die mir wichtig sind nicht vernachlässige. Ein sehr kluger Mensch gab mir einmal den weisen Rat, nicht den Fehler zu machen und alles (Freundschaften, Beruf, Hobbies) einem Ziel (dem BJJ) zu opfern. Sollte nämlich das BJJ einmal aus irgendeinem Grund (Gesundheit, etc.) wegfallen, was bliebe dann noch als Anker wenn ich alles andere dafür aufgegeben hätte?

Nichtsdestotrotz ist das BJJ mittlerweile ein essentieller Bestandteil meines Lebens geworden, den ich nicht mehr missen möchte. Natürlich verlangt der Sport seine Opfer aber dafür hat er mir auch sehr viel gegeben.

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Nach dem Turnier ist vor dem Turnier. Was steht in nächster Zeit bei dir an, was sind deine Pläne für 2014?

Zu einem Turnier außerhalb Europas (Worlds, Masters) wird es dieses Jahr wohl wieder nicht reichen, das ist ja auch immer ein finanzielles und organisatorisches Problem, von den schon erwähnten Urlaubstagen ganz zu schweigen. Das steht aber auf meiner Prioritätenliste für nächstes Jahr ganz oben. Ich hoffe bis dahin noch ein paar Sponsoren zu finden.

Ansonsten gibt es mittlerweile u. a. durch IBJJF und NAGA so viele Turniere in Europa, dass es zeitlich und finanziell gar nicht mehr möglich ist, alle zu besuchen. Im Herbst wird definitiv London wieder auf dem Programm stehen, auch ein Abstecher nach Berlin und in die Niederlande ist schon fest eingeplant. Skandinavien und Osteuropa reizen mich auch schon länger. Ansonsten lasse ich einfach mal alles auf mich zukommen und entscheide spontan woran es sich lohnt teilzunehmen.

Neben dem IBJJF-Wettkampfbetrieb bin ich seit kurzem auch Mitglied des Newaza-Bundeskaders des DJJV. Ich bin sehr stolz und glücklich über die Möglichkeit, nun auch in dieser Liga mein Können unter Beweis zu stellen.

Daneben möchte ich natürlich auch mein Wissen teilen und weitergeben und freue mich, mit meiner eigenen Gruppe beim Hochschulsport Trier meinen Beitrag dazu leisten zu können. Darüber hinaus stehe ich auch jederzeit gerne für Seminar und Lehrgänge zur Verfügung.

 

Vielen Dank für deine Zeit, die letzten Worte gehören natürlich dir.

Ich habe zu danken. Deshalb an dieser Stelle erst mal herzlichen Dank an die Macher von Grapplers Paradise für eure tolle Arbeit und für das Interview. Außerdem danke ich meinem Trainer Jörg Lothmann und allen die mich auf meinem Weg unterstützt und voran gebracht haben, ganz besonders meinen Trainingspartnern vom BJJ Team Marshmallow, Fight Team Impact Luxemburg, RFS Team Saarbrücken und selbstverständlich meiner Gruppe beim Unisport Trier. Mein Erfolg ist auch euer Verdienst. Ein besonderer Dank gilt meiner Familie, meinen Freunden und meinem Liebsten, dass sie es trotz allem immer noch mit mir aushalten. Außerdem möchte ich meinem Sponsor Scramble ganz herzlich für die tolle Ausstattung danken. Ich freue mich wirklich sehr, so einen klasse Sponsor gefunden zu haben.

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