Sun, Sea and JiuJitsu: BJJ in Brasilien, Part 4 [Reiseblog]

Kurz vorm Wochenende haben wir noch etwas feines für euch. Nämlich den vierten und vorletzten Teil des Reiseblogs „Sun, Sea and Jiujitsu“. Diesmal geht es für Henning (Hardcore Training) zum Training mit Helvecio Penna und seinem Jugendprojekt. Zusätzlich berichtet er vom Training bei Ricardo de la Riva und vergleicht abschließend das Training bei De la Riva, Terrere und dem Brazilian Top Team. Wir wünschen viel Spaß mit dem Reiseblog und bedanken uns herzlichst bei Henning für die klasse Lese-Erfahrung.

14.1. Rio de Janeiro

Um neun Uhr trafen wir uns mit Helvecio Penna. Vielleicht kennt ihr den sehr schönen Bericht des Jits Video-Zines über einen der wirklichen Helden des BJJ, wenn nicht bitte nachholen.

Helvecio unterrichtet in einer Favela seit sieben Jahren Kinder und Jugendliche im Alter von vier bis siebzehn Jahren. Er selbst wohnt am Rand des Stadtteils in einem der letzten Appartementhäuser der Copacabana. Man läuft erst durch ein paar Geschäftsstraßen, voller Touristen, biegt dann in eine Querstraße ab. Nach ein paar wenigen Blocks beginnt die Straße den Hügel hinaufzusteigen. Touristen fehlen, es werden mehr Motorräder als Autos in den Straßen, es gibt kleine Stücke Urwald an den Hängen der Berge, die Häuser sind nur noch zwei Stockwerke hoch, die Straßen voller Schlaglöcher. Überall enge Gassen, viele Treppen, unverputzte Backsteinwände. Du schaust in geöffnete Garagentore in denen sich kleine Werkstätten befinden. Autos stehen auf Backsteinen, statt auf ihren Rädern, am Straßenrand halb ausgeschlachtet. Alte Leute sitzen vor den Häusern und schauen dem Treiben zu. Motorradfahrer hupen vor jeder Kurve. Radios laufen vor oder in den Gebäuden. Der Geruch von verschiedenen Küchen liegt in der Luft. Fast alle an denen wir vorbeikommen Grüßen Helvecio. Ich bin froh, dass er ab und an ein Schwätzchen hält und nicht die ganze Zeit vor mir den Berg hoch rennt.
Auf dem Hügel oben angekommen sehen wir ein kleines Plateau, auf dem ein Wellblechdach vor Sonne schützt. Man hat einen fantastischen Ausblick über die drei angrenzenden Favelas, di Copacabana, den Zuckerhut, den Jesus auf dem Cocovado und Botafogo.

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Eine acht mal vierzehn Meter große Mattenfläche gibt es und eine handvoll alter Sandsäcke. Die Matten sind leider alt und schon abgewetzt, die Sandsäcke auch. Eine Gruppe von Frauen macht gerade auf der Mattenfläche Yoga. Langsam kommen immer mehr Kids in ihren Gis. Neugierig und schüchtern sehen sie sich den komischen Alemao mit den bunten Armen an. Noch ein zweiter Schwarzgurt von De La Riva taucht auf. Das Training beginnt mit ein bischen Fangen spielen, ein paar Shrimps, Crawls und anderen BJJ typischen Bewegungen. Danach üben die Kids Wurfeingänge. Unglaublich wie konzentriert die Zwerge arbeiten. Immer wieder werden sie von den beiden Lehrern korrigiert.
Danach gibt es ein paar Runden Sparring mit Coaching. Die Kids versuchen jede Anweisung umzusetzen. Auch bei viel schwereren Partnern gelingen ihnen oft ihre Sweeps. Ist schon ein großer Unterschied zwischen einem vier Jährigen und seiner sieben Jahre alten Schwester.
Nach einer Runde Völkerball endet das Training mit einer kleinen Fotosession.
Helvecio erklärt mir noch, dass die Regierung und ein Energiekonzern das Training welches mittlerweile an drei Orten stattfindet unterstützen. Leider ist diese Einnahmequelle nicht dauerhaft und so können sie nicht allen Kindern, die aus sehr armen Verhältnissen kommen einen Kimono stellen. Auch das Equipment ist stark überaltert. Das Dach leider kaputt so, dass bei Regen der Platz überläuft und bei Wind Teile des Wellblechs heruntergeweht werden können. Heute wären auch nicht ganz so viele Kids da gewesen. Es war das erste Training nach der Weihnachtspause.
Ich bin immer noch beeindruckt von der Energie Helvecios. Jede Sekunde des Trainigs war er bemüht den Kids etwas zu vermitteln. Auf Englisch, Portuges und auch ein paar Brocken Deutsch. Auch sein Kollege, mit dem er wenn es mal wieder kein Geld gibt, bei den Trainingskollegen der De La Riva Akademie sammeln geht, ist die ganze Zeit dabei. Schön zu sehen, wie ein paar Legenden im Sport sich für die Jugend stark machen. Das Lachen der Kinder und ihnen zwei Stunden zusehen zu dürfen war für mich bis jetzt einer meiner schönsten Eindrücke, die ich aus Brasilien mit nach Hause nehmen werde.

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23.1. Rio de Janeiro
Gestern laufe ich die Straße in der wir wohnen im Stadtteil Flamengo runter. Gegenüber von unserem Haus ist die Luta Livre Schule von Hugo Duarte. Ein Stück die Straße runter der neue Laden von Nova Uniao. In der ersten Seitenstraße eine Filiale von Gracie Barra. Alles im Umkreis von nur hundert Metern. Ja in der Metro lief gerade Werbung für den nächsten Kampf von Jose Aldo. Und auf einmal geht der Typ an mir vorbei und hat gepflegt seine Kopfhörer auf und genießt seinen Abendspaziergang.
Nicht nur, dass es hier Unmengen an UFC, MMA, Bad Boy etc Klamotten an jeder Ecke und jedem Supermarkt gibt, nein auch die allseits beliebten Ohriginale (ja ist geklaut vom Andyconda, aber so gut, da kommt nur nen kölsche Jong drauf) finden sich an vielen Köpfen fast jeden Alters. Die Träger sind dann auch echt, im Gegensatz zu den Schulkindern mit UFC Ranzen. Selbst Saft im Supermarkt Regal wird hier mit MMAKämpfern vermarktet. In Bars und Restaurants werden die Kämpfe gezeigt. Es ist ein bischen eine andere Welt.
Und die werde ich nun nach sechs Wochen verlassen. Gestern Abend hatte ich mein letztes Training mit De La Riva. Ein beeindruckender Lehrer, von dem ich sehr viel auch für meinen eigenen Unterricht gelernt habe. Die Bilder sprechen da glaube ich für sich.
Ich bin trotz Urlaub, jeden Morgen um sechs Uhr hoch und war um sieben auf der Matte. Habe zwei Stunden trainiert, danach mit dem Team gefrühstückt. Bin nach Hause gefahren habe meinen Gi gewaschen. Ein bischen gelesen, Spazieren gegangen, Kaffee getrunken und dann ging es ab zum zweiten Training. Abendessen und ins Bett. Wochenenden hatte ich frei um mir mal die Stadt anzusehen. Um die 40 Grad im Schatten haben mir hart zugesetzt. Dutzende Schawrzgurte auf den Matten auch. Ich hatte Probleme ausreichend Luft zu bekommen, war wirklich verschwitzt. Habe keinen Tap verschenkt und viele unfreiwillig gegeben. Es hat sich gelohnt.
Gestern nach dem Training saßen in der Akademie von De La Riva drei Schwarzgurte. Zwei älter und ein relativ junger und amüsierten sich prächtig. Ich hatte mit allen Dreien ein paar Runden gerollt, weswegen sie ihrem Hobby nachgingen, Namen geben!
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Der erste meinte ich wäre Wolverine wegen meiner Klauen, die wenn sie einmal zupacken würden, einem das Leben im Gi schwer machen. Der Zweite meinte dazu, das wäre zwar richtig, aber ich sei ein Cascagrossa, also zu groß für Wolverine. Da kam der jüngere Dritte zum Zug und taufte mich Sabertooth, was ich auf Portugiesenglisch erst mal nicht verstand. Wurde mir aber mit aller nötigen Geduld erklärt. Ich bin jetzt also der große Bruder von Wolverine. Offensichtlich pflege ich die falsche Lektüre in meiner Freizeit. Aber Sabertooth ist zufrieden. Ein junger Kollege aus den Niederlanden traf es schlimmer. Er ist für mehrere Monate zum Training hier. Kommt zur Tür rein. Irgendwer, der sich jetzt auch nicht mehr traut die Verantwortung zu übernehmen, ruft Justin Bieber in den Raum. Tsja das wars, dann doch lieber Sabertooth.
Wer mal nach Rio kommt, kann sich auf jeden Fall bei jeder Schule in der ich war sehen lassen. Alle drei Teams sind hervorragend. Eine kleine Hilfe bei der Auswahl kann ich aber trotzdem für Rio geben.
1. Fernando Terere: kleine aber feine Schule; junge Leute die auf Wettkampf drillen; Kondi, Technik und Sparring sind die Bestandteile des Trainings; nur BJJ im Gi
2. Brazilian Top Team: die Truppe um Murilo Bustamante hat das größte Gym; MuayThai, MMA, Nogi und BJJ; Kondition und Sparring sind die Hauptelemente; Technik wird viel von den höher graduierten beim Sparring gezeigt; härtestes Training; viele Wettkämpfer auf Profi Niveau
3. De La Riva: leichtes Stretching, eine Technik, Sparring, Sparring, Sparring, bunt gemischt von Alter und Geschlecht; von entspannt bis tough; Anzahl der Schwarzgurte ist beeindruckend
Alle meine Berichte ersetzen eines nicht, den eigenen Besuch vor Ort. Acai und nen leckeren Melancia Suco an der Ecke. Nach dem Training der Matte Limao. Das Baden im Meer.
Ja und ich habe weder den Jesus auf dem Berg besucht, dem vor ner Woche der Blitz den Daumen zerstört hat noch habe ich einen Caipirinha getrunken.
Ich werde noch eine Liste mit Links und Adressen erstellen, um euch das Leben etwas zu erleichtern. Es hat mir hier viel Spaß gemacht und ich komme bestimmt wieder. Neue Freunde und Namen finden sich in der Ferne. Danke für eure Zeit und wir sehen uns auf irgendeiner Matte. Denn ob Regen, Schnee, ob Sonnenschein-rollen kannst du nicht allein.

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